Ich fand Steven Gätjen immer gut. Als Moderator eines Magazins. Das kann er, da ist er zu Hause. Eine saubere Moderation (wenn auch mit schrecklich gekünstelter Aussprache, sollte es mal zu englischen Wörtern kommen), gutes Handwerk. Aber durchaus Standard. Nicht rechts, nicht links: aalglatt durch die Mitte. Insofern ist er natürlich auch durchaus geeignet für den roten Teppich beim Oscar: „Ah, Mr/Mrs <place name here> you are looking so beautiful, who is the designer?“ was wir ja schon in Leenio karikiert haben.
Nun verliert ein Flaggschiff deutscher Fernsehunterhaltung seinen Moderator. Urplötzlich nach dem Grand Prix (ja, der Wettbewerb wird für mich immer so heißen) folgt Matthias Opdenhövel dem Ruf der ARD, der natürlich absolut in keinem Zusammenhang mit der Gemeinschaftsaktion zwischen Pro7 und ARD laut offizieller Aussage steht. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Ob ich die Entscheidung von ihm gut finde oder nicht, soll jetzt gar nicht Thema sein. Nur so viel: Klar ist Sportschau Prestige, klar winken die öffentlich rechtlichen mit richtig vielen Scheinchen. Aber: Genausowenig, wie die ARD ein Sender mit nachwachsendem Publikum ist, so wachsen dort Programmgestalter nach. Ohne, dass man selbst Nachwuchs generiert, kann man schwer Verständnis für die Fernsehwünsche des Nachwuchs erhalten. Aber wie gesagt, das nur am Rande.
Denn hier soll es um eine der längsten Showsendungen derzeit im deutschen Fernsehen gehen, mit mehr als 4 angesetzten Stunden, die meistens überzogen werden (wenn nicht gerade eine Totalversagerin dran ist…), ein Mammutding.
Diese Sendung steht also auf einmal ohne ihr zweites Gesicht da, das absolut charakteristisch war. Immer einen bösen Spruch auf der Lippe, und haarscharf an der Grenze dessen, was sich gerade noch ziemt. Über 4 Stunden hält man einen Zuschauer nur, wenn man ihn unterhält, und dafür ist definitiv der Mann mit der größten Textleistung an dem Abend zuständig. Und das ist nicht Raab, der hat anderes zu tun.
Insofern hatte ich große Bedenken bei Steven Gätjen als neuer Moderator von „Schlag den Raab“.
Die Sendung startete also 20:15 (sie beginnt ja sowieso erst immer knapp eine Stunde später), und zum Vorschein kam: Ein Steven Gätjen mit Roland Kaiser Gedächtnisfrisur in der Frittenfett-Version. Aua. Er hatte doch früher meistens peppige Frisuren, oder war das jetzt zu nahe dran an Matthias Opdenhövel? Also bitte: Das zum nächsten Mal abstellen. Das geht gar nicht. Das will ich an einem Samstag Abend nicht dauerhaft sehen.
Die erste Stunde mit der Vorstellung der Kandidaten zeigt das befürchtete: Standardprogramm. Generische Sätze, wie sie jeder, selbst ich als Laienmoderator, locker an seiner Stelle hätte rausbringen können. Und so sollte es bis etwa Mitternacht weitergehen.
Haben sich Stefan und Steven vor der Sendung mal gesehen? Okay, das vielleicht. Aber: Waren die mal ordentlich ein Bier saufen mit Schädeltrauma und Verlust des Wissens, wie man eigentlich nach Hause und ins Bett gekommen ist? Man hatte den Eindruck: Nein. Da waren zwei, die an ihrem Arbeitsplatz professionell zusammenarbeiten. Dass das natürlich grundsätzlich tatsächlich so ist, ist klar. Aber: Das will ich doch gar nicht als Zuschauer sehen!
Wo war der Lausbub, der einen Großteil dieser Sendung ausmacht, der ein fettes Grinsen im Gesicht hat, wenn er seinem Freund Stefan mal wieder einen vor den Latz knallen kann?
Da stand nur einer, der hat Regeln heruntergebetet, der hat Preise für Telefonanrufer und Werbung angesagt. Das fehlerfrei und treffsicher. Aber… Spontanität Null, wo ist denn da der Spaß?
Ein Gätjen muss keine Opdenhövel-Kopie sein, bestimmt nicht. Aber eine Moderationsmaschine dahin zu stellen, die einwandfrei funktioniert, kann nicht Sinn der Sache sein.
Ein Beispiel: Raab macht ja immer Mätzchen vor Beginn eines jeweiligen Spiels. Regeln umdeuten, fragen, nerven. Das wurde von einem Opdenhövel mit einem lockeren Spruch eigentlich immer entschärft, bei dem man meistens noch etwas zu Schmunzeln hatte. Nicht so ein Gätjen: Mit kasernentauglicher Bestimmtheit brach er jedwede Kappelei unlustig ab. Natürlich wird man ihm vorher gesagt haben „Lass Dich nicht auf die Spielchen von Stefan ein, Du bist der Chef“, und genau so hat er sich auch verhalten. Klar gewinnt man so den Kampf gegen Kandidat Raab. Aber eine schöne Show hat man für den Zuschauer draußen nicht geliefert.
Ich weiß nicht mehr genau wann, weil ich nicht auf die Uhr geschaut habe, aber grob nach Mitternacht hatte ich den Eindruck, als wäre Steven Gätjen genervt. Mag sein, dass es mit der Verletzungsgeschichte zu tun hatte (die er natürlich auch professionell aber völlig emotionslos meisterte). Es fühlte sich an wie „Ich hab keinen Bock mehr, werde nur bis 0:30 bezahlt und muss wahrscheinlich gleich noch Überstunden machen.“ Das war irgendwie nicht schön.
Aber es kam dann doch noch gegen Ende der ein oder andere Lichtblick: Man hatte den Eindruck, dass er die Zielgerade schon vor sich sieht, und erleichtert seine aalglatte Außenhülle ein wenig öffnet. Denn da waren ein paar Sprüche, die mit Sicherheit auf keinem seiner Kärtchen standen. Und: Ich musste tatsächlich grinsen! Hey! Er kanns doch!
Selbstverständlich war das keine leichte Feuertaufe. So eine große Hausnummer ist wirklich hart zu übernehmen, und mit Sicherheit ging ihm die Klammer bis Bagdad. Also ging er auf Nummer sicher und lieferte eine handwerklich diskussionslos einwandfreie, aber annähernd moderationstechnisch emotionslose Show ab. Aber ganz ehrlich: Wäre der Kandidat nicht gut gewesen, die Matches nicht Kopf an Kopf, dann hätte ich ausgemacht. Die wenigen Matches, die wirklich lang und weilig waren, hielten sich in Grenzen. Klar, die hat jede Schlag-den-Raab-Sendung, aber zum Auflockern stand da wohl nichts auf seinen Moderationskarten.
Mein Fazit also: Okay. Er hat eine „gute“ Show abgeliefert, im Schulnotensinn „befriedigend“. Moderationstechnisch gab es nichts auszusetzen, er hat fehlerfrei die Show durchgebracht. Spaß hatte er wahrscheinlich selbst nicht dabei, was aber in der Situation verständlich ist, nur ist das dem Zuschauer natürlich egal. Man hat gegen Ende gesehen, dass er auftauen kann. Dass er auch mal einen Spruch raushauen kann, als merklich ein wenig Spannung von ihm fiel. Das bitte das nächste Mal in der ganzen Sendung, und eine andere Frisur. Dann kann das eventuell sogar doch noch etwas werden!