Keng’s Law

Die dicksten Bauern haben die dümmsten Kartoffeln

Je länger der Schwanz, umso kleiner das Hirn

Je prollig desto Maul

So oder so ähnlich würde ich meine Theorie umschreiben, die ich seit langem habe. Aber ich bin mir mittlerweile sicher, dass es sich hierbei um ein Naturgesetz handelt. Ich werde es hier zwar am Beispiel WoW demonstrieren, aber es ist auf alle Lebensbereiche ausdehnbar, und leider anscheinend eine aktuell immer stärker ausgeprägte soziale Gesetzmäßigkeit.

Für alle, die nicht wissen, von was ich spreche, hier eine kurze Einführung. Es gibt in WoW eine Größe, die nennt sich Itemlevel. Er bezeichnet den grundsätzlichen Wert und Güte eines Gegenstandes, den eine Spielfigur tragen kann.  Es ist ein Wert, den Blizzard selbst den Gegenständen gibt. Er ist festgelegt und Teil des Spielecodes. Der effektive Wert eines Gegenstandes hängt allerdings noch von einigen anderen Faktoren ab. Zum Beispiel ist ein Gürtel mit gleichem Itemlevel wie eine Brustrüstung natürlich weniger effektiv als diese.

Die Community, also einige Spieler, haben sich nun den sogenannten „Gearscore“ ausgedacht. Er nimmt den Itemlevel der getragenen Gegenstände und verknüpft diesen über viele Faktoren zu einer einzigen Zahl. Das wäre ungefähr, wie ein Carscore: Ein Polo ohne Sonderausstattung hätte dann vielleicht Carscore 2000, wohingegen ein Mercedes mit allem Schnickschnack 5000 wäre. Und ein Ferrari dann vielleicht eher Richtung 6000 geht.

„Ja, aber ich will doch gar keinen Ferrari? Und fahren kann ich den auch nicht richtig!“

Genau. Du hast es vollkommen richtig erkannt, und hier schlägt Keng’s Law zu.

Es gibt in WoW eine grundsätzlich eigentlich tolle Erfindung. Da das Spiel ja eigentlich ein Gruppenspiel ist, dessen Ziel es ist, mit anderen zusammen zu spielen, hatte man in der Vergangenheit aber manchmal Probleme, eine entsprechende Gruppe zu finden. Das ganze wurde vor kurzem durch eine Spielerweiterung seitens Blizzard durch ein automatisiertes Tool behoben. Das Tool sucht nun für die einfachen Spielinhalte, also 5er Instanzen (noch nicht die Highend-Inhalte) eine Gruppe zusammen, wenn man das möchte.

Das klappt auch soweit ganz gut. Allerdings ist die Frage, ob das, was es nun darstellt, wirklich der Sinn von Gruppenspiel ist. Es wird kaum gegrüßt in diesen Gruppen. Selbst wenn ich immer wieder beharrlich in einer neuen Gruppe mein „Moin“ schreibe, kommt in 90% der Fälle keine Antwort. Unpersönliche Arbeitsathmosphäre. Das hat irgendwie überhaupt nichts zu tun mit meiner Auffassung von Gruppenspiel. Das impliziert nämlich ungesagt den Begriff „zusammen spielen“.

Aber auch solche Gruppen können durchaus lustig sein, so ist das nicht. Sie sind nur nicht das, was es eigentlich sein soll. Und vor allem kein Ersatz für eine wirklich eingeschworene Gruppe von Leuten, die man kennt, oder die man kennenlernen will.

Natürlich betrachtet man sich die Leute, die man zugewürfelt bekommen hat. Da sind mal Leute mit hohem Gearscore dabei, mal Leute mit niedrigerem. Ich selbst habe jetzt keine Chuck-Norris -Ausrüstung, aber sie ist trotzdem im oberen Bereich angesiedelt. Also im Auto-Vergleich vielleicht nicht der Ferrari, aber doch über dem Mercedes.

Und eine Festellung musste ich immer wieder machen, seitdem es das Tool gibt: Die Leute mit dem Polo können viel besser Autofahren, als die mit dem Mercedes. Sie wissen, dass ihre Ausrüstung ihre Grenzen hat, kennen sie, und gleichen sie durch spielerisches Geschick aus. Die meisten zumindest. Wirklich der Großteil. Hingegen die Leute mit ihrem Mercedes verlassen sich auf  ihren Gearscore. Bremshilfe, Glatteishilfe, dicke Polsterung, Knautschzonen und Airbag. Man muss ja auf nichts mehr achten, folglich müssen an allem die anderen Schuld sein. Und das lassen sie meistens die Gruppenmitglieder spüren. Sie beschimpfen sie und verhalten sich selbst wie der letzte Volldepp. Man kanns ja, Gearscore zeigt ja, dass man es kann. Dass WoW leider immer mehr trivialisiert wird, scheint dabei überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Es ist sogar so, dass man teilweise High-End-Ausrüstung aus Spieleinhalten bekommt, ohne diese jemals auch nur angegangen zu sein, geschweige denn, dort Erfolge verzeichnet zu haben.

Das Phänomen ist nicht neu. Nur: Früher sind viel weniger Spieler an die High-End-Rüstung gekommen, da der Schwierigkeitsgrad eine massenhafte Verbreitung verhindert hat. So kann heute jeder mit genügend Sitzfleisch die Ausrüstung bekommen, solange sie noch aktuell ist. Früher waren es also nur wenige arrogante Spieler, die sich etwas darauf einbildeten, mit ihrer Gilde zu den Top-Leuten zu zählen, heute kann das jeder haben. Und die Konsequenz? Aus unerfindlichen Gründen verhalten sich nicht nur die Leute, die früher schon arrogant waren, weiterhin so. Sondern der Spieler, der früher im großen Mittelfeld mitgeschwommen wäre, und jetzt seine Ausrüstung in den Popo geschoben bekommt, macht auch einen auf dicke Hose. Wohingegen die ersterwähnten meistens noch spielen konnten (aber auch nicht immer wollten…), kann man heute über spielerisches Können anhand der Rüstung überhaupt nichts mehr aussagen.

Das kann ich immer wieder verstärkt in diesen zufällig zusammengewürfelten Gruppen feststellen. Erst jetzt ist mir eine neue Episode passiert, die mich gänzlich meine Theorie zum Gesetz hat erheben lassen.

Eine zufällige Gruppe, es tankt ein Druide. Für die Nicht-WoW-ler: Das ist derjenige, der die Monster auf sich versucht zu binden, dass sie ihm auf die Fresse und im Fall des Druiden sein dickes Fell geben, anstatt dass die Monster den viel stärker Schaden verursachenden Zauberer dahinter, der nur dünnes Stoffzeugs an hat, auseinandernehmen.

Vom Prinzip her einfach. Eine Gruppe steht und fällt also mit dem Tank . Der gibt die Geschwindigkeit, die Richtung etc. an.

Das Exemplar Druide hier hat wirklich ansehnliche Ausrüstung gehabt, durchaus vom Stand her mit meiner zu vergleichen, also oberer Bereich. Interessanterweise hat er nur 40.000 Lebenspunkte, was für einen Druiden mit dem Rüstungsstand massiv zu wenig ist. Das sollte auf jeden Fall über 50.000 gehen, wenn nicht sogar Richtung 60.000. Da lag also einiges im Argen bei der Zusammenstellung seiner  Rüstungsteile. Ganz offensichtlich.

Es war eine Burg, die es auszunehmen galt, die Burg Utgarde. Ein Tank sollte nun genauso vorgehen, wie ein Bäcker die Brötchen bäckt: Eins nach dem anderen. Natürlich, wenn die Ausrüstung besser ist, darf man auch schonmal größere Brötchen backen, und mehrere Monster auf einmal anlocken. Auf keinen Fall sollte aber ein 40.000-Leben-Tank den kompletten ersten Raum zusammenziehen, das heilt kein Heiler gegen, egal wie hoch sein Gearscore ist.

Besagtes tut dieser Keng’s-Law-Vorzeigedruide. Die Konsequenz  ist eine einfache: Ein toter Druide. Nur dem Rest der Gruppe, mal vom Heiler, also mir, ganz abgesehen, war es zu verdanken, dass es bei diesem einen Toten blieb, und die Monster teilweise durch den Raum gezogen wurden oder ähnliche Techniken angewendet wurden, um der Übermacht Herr zu werden.

Nachdem der Heiler, um ein graues Haar reicher, den Tank wiederbelebt hat, hat der nichts besseres zu tun, als den Heiler anzupflaumen. Ob er denn ab sofort richtig heilen und nicht einschlafen würde. Er würde so nicht weitermachen, dann könnten wir uns einen anderen Tank suchen.

Ich war nicht auf Streit aus, hatte keine Lust herumzuschimpfen und die Situation vielleicht noch irgendwie halbwegs zu retten. Manchmal macht mir sowas Spaß, aber in dem Moment nicht. Ich beschloss, dass wir uns keinen neuen Tank suchen mussten, sondern sie sich einen neuen Heiler. Ich verabschiedete mich kurz und neutral und verließ die Gruppe. Keine Lust, solch einen Tank den kompletten Weg durch die Burg weiterzuheilen, ich habe auch meinen Stolz. Dabei fällt mir wieder ein schöner Spruch meines Bruders ein, der eine weibliche Priesterin gespielt hat: „Because she heals you, doesn’t mean she likes you!“

Was vergessen Leute eigentlich manchmal, wie sehr sie einem Heiler ausgeliefert sind? Erst einen Tag davor, ein Paladin. Paladine sind übrigens die mit dem Unverwundbarkeitsschild, auch aufgrund seines Aussehens gerne Blase genannt. Hier hatten wir aber ein Exemplar mit Blasenschwäche.

In den Hallen der Blitze. Dort gibt es einen Zauberspruch der Monster, wenn sie den auf einen Spieler sprechen, fängt dieser an, Blitze in den Boden zu schießen. Also ein nicht übersehbarer optischer Effekt. Zusätzlich erleidet man Schaden, wenn man sich bewegt, solange man am Blitze aussenden ist. Einfache Abhilfe: Stehenbleiben. Das interessierte den Paladin wohl eher nicht, und er hüpfte lustig umher. Nun gut, mich interessierte das auch nicht.

Normalerweise lasse ich keinen sterben. Ich bekomme die Krise, wenn jemand stirbt, und versuche selbstverständlich mein möglichstes, die Leute am Leben zu halten. Aber bei sowas ist dann auch mein Good Will am Ende. Das Ende vom Lied: Ich hörte nach dem 6. Tod des Paladins auf zu zählen. Und er lag noch ein paarmal im Dreck. Er hätte übrigens jeden einzelnen Tod mit Hilfe seiner Blase verhindern können. Hat er nicht. Es ist sein Gold, was ihn das kostet. Ich hätte auch jeden Tod verhindern können, aber ich habe es nicht eingesehen. Sein Gold. Und ich gebe zu: Nach dem dritten Tod hat mir dieses Exemplar von Lernresistenz durchaus Freude bereitet.

Es ist mir unbegreiflich, wie man nur beim Spielen sein Hirn so komplett abgeben kann, und sich auf Ausrüstung und damit seine Penislänge verlassen kann. Und je länger der Penis, umso weniger Eier haben die Leute in der Hose.

Nur in WoW? Mal schauen. Kommen wir doch einmal zu dem Beispiel mit dem Carscore zurück. Wer kennt nicht den Spruch mit der eingebauten Vorfahrt bei einem Mercedes? Wer hat sich noch nie über einen Sportwagen wie ein Ferrari auf der Autobahn geärgert, der wie eine gesengte Sau fährt und damit meistens nicht nur sich, sondern auch alle anderen gefährdet? Oder die Leute, die man gerne als Progamer bezeichnet, welches Pendant haben die? Am naheliegendsten doch Profi-Autofahrer. Und über die meisten Taxifahrer und deren Fahrstil brauche ich wohl eher nichts zu sagen.

q.e.d.

4 Replies to “Keng’s Law”

  1. Hach ja, der gute alte Heilspruch. Den hatte ich schon lange vergessen, aber… wie wahr, wie wahr. Wie häufig es Leute gab, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte und trotzdem geheilt habe. Aber manchmal ist selbst der Heiler-Ehrenkodex an einem Ende angelangt. Ich kann dich zu gut verstehen.

    Es ist eben ein Geben und Nehmen: Bin ich in einer Gruppe, halte ich die Gruppe am Leben, selbst wenn sie mir absolut unsympathisch ist. Bin ich allerdings der Gruppe egal, dann ist sie es auch mir. Manchmal wundere ich mich, wie wenig Leute wohl Mannschaftssport gemacht haben, denn beim Mannschaftssport lernt man sehr schnell einige wichtige grundlegende Dinge, die man auch für das Gruppenspiel in MMOs übernehmen kann:

    A) Fehler macht jeder mal
    B) Mal gewinnt man, mal verliert man, aber man muss sich eben einfach jedes Mal wieder aufrappeln
    C) Wer Spaß hat, spielt besser/effektiver
    D) Wenn man sich gut versteht, spielt man besser
    E) Wenn man auf seine Mitspieler achtet, kann man viele Nachteile ausgleichen

    Ich bin allerdings immer noch der Meinung, dass die Gruppen heute nicht signifikant schlimmer sind als früher – höchstens wortloser. Aber selbst sowas hatte ich früher auch… vor’m Kriesch. Wenn ich bedenke, was ich allein bei „1001 Nacht in UBRS“ erlebt habe, das geht auf keine Tauren-Haut… *sfz*

  2. Das klappt auch soweit ganz gut. Allerdings ist die Frage, ob das, was es nun darstellt, wirklich der Sinn von Gruppenspiel ist. Es wird kaum gegrüßt in diesen Gruppen. Selbst wenn ich immer wieder beharrlich in einer neuen Gruppe mein “Moin” schreibe, kommt in 90% der Fälle keine Antwort. Unpersönliche Arbeitsathmosphäre. Das hat irgendwie überhaupt nichts zu tun mit meiner Auffassung von Gruppenspiel.
    ___

    Genau deswegen habe ich auch nicht das geringste Problem, HDZ-Gruppen instant zu verlassen (wobei bei uns im Realmpool bei dieser Ini grundsätzlich 1-2 Spieler abhauen): Es ist Arbeit und wenn ich zu stupider, immer wiederkehrender Arbeit ohne die Aussicht auf Abwechslung gezwungen werden soll, gehe ich, da kann auch ein 1-Stunden-Debuff eingeführt werden..
    Letztendlich bin ich der Gruppe so egal wie sie mir, geht ein Tank ist mir auch der Spieler egal, bedauert wird nur der Wegfall seiner Funktion.

    Das instante Verlassen einer Ini liegt daran, dass man keine Ini bevorzugen / ausschließen kann (ich wäre doch nie jeden Tag die gleiche Ini gegangen, lieber habe ich auf Marken verzichtet; und schon gar nicht mehrmals täglich) und die Existenz wildfremder Leute ist mir samt dem, was sie über mich denken, auch egal.

  3. Wunderschöner Beitrag. Und sooooo wahr!

    Irgendwann kam auch bei mir die Erkenntnis, dass man oft nicht einfach nur Schaden, sondern viel mehr die himmelschreiende Dummheit der Mitspieler gegenheilt. Ich sollte viel mehr DDs verrecken lassen… Wobei man dann erschreckend schnell Gefahr läuft, aus der Gruppe gewählt zu werden. Logikfrei, weil sich ja ein DD viel leichter ersetzen lässt als ein Heiler, aber mir schon so passiert :/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.